Macht die Kundenzentrierung in der Krise eine Pause?
Kategorie: Kunden-Kommunikation
Medium: E-Mail Newsletter
Absender: Cloud-Services: Google Suite, Paypal, XING
Medien-Download (PDF): Xing E-Mail, Google Cloud Team E-Mail, Paypal E-Mail
In der aktuellen Situation ist es naheliegend, ein paar Worte an seine Kunden zu richten. Und das macht derzeit gefühlt auch jeder. Ergebnis: Das E-Mail-Postfach quillt über vor Corona-Mails. Dabei scheinen nicht wenige Verfasser davon auszugehen, dass der Betreff „Corona“ alleine ausreicht, um Interesse zu wecken. Konkrete Inhalte und Nutzen? Oft Fehlanzeige, meistens Mangelware. Erstaunlich: Auch die großen Kundenzentrierer Google und PayPal machen da keine Ausnahme. Die Texte? Viel Bla, wenig klar. Eine aktuelle TEO-Analyse bestätigt diesen Eindruck.
Das Textprofil ist eindeutig: Schwafelstil
Schon der Einstieg verspricht nichts Gutes. Bei Google heißt es: „Wir möchten Sie darüber informieren, was wir tun, um unsere Mitarbeiter, unsere Community und Sie – unsere Kunden und Partner – zu unterstützen.“ Und nicht viel besser: „… möchten wir von PayPal Ihnen unsere Unterstützung zusichern.“ Damit ist der Ton gesetzt. Es ist die Stilebene der „Festredner und Politiker“, um den großen Stilkundler Ludwig Reiners zu zitieren. Und exakt diese Merkmale weisen auch beide Texte auf:
- Rund 25 % des Textes bestehen in beiden Fällen aus Hauptwörtern (Nomen). Und bei PayPal gehören sensationelle 40 % davon in die Kategorie „bildleer“. Das ist, bei allem Respekt, ein typisches Profil für „Schwafeltexte“. Sie möchten uns über etwas informieren – tun es aber nicht.
- Passend dazu sind beide Texte ausreichend unverständlich: Der TEO-Leitindex (TLI) ist im dunkelroten Bereich, und das nicht nur, weil die Wortlängen der Texte typisch für wissenschaftliche Abhandlungen sind. Ergebnis: staatstragend, nichtssagend.
- Dazu fehlt den Texten jeder Leserimpuls. Sie glänzen vielmehr durch eine steile Innenperspektive. So schreibt Google zu 89 % in der Verfasser-Perspektive. Wir, wir, wir … da bleibt der Kunde auf der Strecke. Irgendwie selbstreferentiell, das Ganze.
Hier wird ein Teil des Dilemmas deutlich: 25 % des Textes besteht aus Substantiven. Die Wirkung: Klingt wichtig, sagt nicht viel.
Ich-Zentrierung statt Kundenzentrierung
Sieht man sich das Profil an, stellt sich die Frage: Warum wurden diese Texte überhaupt verfasst? Was waren die konkreten Ziele? Beide Texte sind erkennbare heiße Luft. Und Kundenzentrierung ohne (oder mit kaum erkennbarem) Nutzen gibt es nicht.
Das ist natürlich ganz klar eine strategisch-inhaltliche Frage. ABER: TEO macht das Dilemma sichtbar! Und wenn man Text-KPIs bei der Entwicklung genutzt hätte, wäre diese Schwäche zumindest aufgefallen – mit der Chance auf Nachbesserung. Hat man aber nicht. Man hat vielmehr versucht, den staatstragenden Ton der Politik zu imitieren. So wie man das eben macht: aus dem Bauch heraus und mit der ganzen Erfahrung unzähliger Pressemeldungen, Vorstandsreden und Diplomarbeiten.
83 % Kunden-Perspektive: XING zeigt, wie es anders geht
Am Ende kreist man irgendwie um sich selbst und um ein Thema, das nicht nach Selbstbeschäftigung, sondern nach Lösungen verlangt. Doch die spielen hier spürbar nur die zweite Geige. Muss das vielleicht so sein? Geht Krisen-Kommunikation vielleicht nicht anders? Dass es nicht so ist, zeigt XING mit einem aktuellen Newsletter.
Der XING-Newsletter hat ein konkretes Thema und ist auch sonst von einer spürbar anderen Qualität. Spürbar und analysierbar! Denn während Google und PayPal deutlich in der Innenperspektive verharren, spricht XING zu 83 % seine Leser/-innen an. Während PayPal 40 % abstrakte Substantive nutzt, kommen bei XING gerade mal 5 % dieser bildleeren Hauptwörter vor. Und während es bei Google null Komma null Impulse im Text gibt, aktiviert der XING-Newsletter mit reichlichen 35 % seine Leser.
Das XING-Textprofil: Dialogstil statt Regierungserklärung
Bei XING ist der Kunde im Fokus – und damit alles im grünen Bereich.
Schon der Einstieg spricht eine andere Sprache. Statt wortreich irgendwas zu möchten, geht es bei XING direkt in den Dialog: „… wie meistern Sie die Herausforderungen, vor die uns die Corona-Krise stellt? Können Sie Ihr Geschäftsmodell einfach so weiterführen oder müssen Sie gerade neue Lösungen und Wege finden? So geht’s zurzeit vielen Unternehmen.“ Und schon ist man drin im Text. Wie gesagt, das liegt vorrangig an der strategisch-inhaltlichen Ausrichtung und damit am Ziel der Texte. Google und PayPal verteilen verbale Beruhigungspillen, XING tut etwas Konkretes.
Fazit:
Ein Tool bei der Entwicklung von Texten zu nutzen, hat viele Vorteile. Denn so verhindert man nicht nur Schachtelsätze und Substantivierungen. Man kann durchaus auch fehlende Kundenorientierung erkennen. Denn wenngleich TEO kein Semantik-Experte ist, funktionieren seine KPIs zuverlässig als Frühwarnsystem für kundenfernen Stil und allzu große Ich-Zentrierung. Und diese Aspekte sind auch außerhalb der Krise gefragt.
